Erste Schritte in ein neues Leben

In meinem Leben bin ich schon mehrmals an Grenzen gekommen, an denen ich dachte, ich komme absolut nicht weiter. Heute möchte ich dir erzählen, wie ich es zum ersten Mal gewagt habe, aus dem „System“ auszubrechen. Das ist aber nicht passiert, weil ich so mutig war, sondern weil meine Seele einfach nicht mehr konnte und ich wusste, ich muss etwas ändern, wenn ich nicht kaputtgehen möchte.

 

Damals habe ich in einer kleinen Gemeinde in der Buchhaltung gearbeitet. Es war ein Vollzeitjob und ich hatte nach mehreren Jahren Elternzeitvertretung auch endlich den langersehnten Festvertrag bekommen. Halleluja! Ein Festvertrag im öffentlichen Dienst! Was kann einem Besseres passieren? Noch dazu hatte ich ein supertolles riesengroßes Büro im Dachgeschoss mit Ausblick auf die Berge. Ich arbeitete dort, wo andere Urlaub machen. Damit hatte ich quasi „ausgesorgt“.

 

Hinzu kam, dass ich schon seit einigen Jahren in einer Beziehung war und wir uns auch langsam Gedanken über Familienplanung machten. Was kann einem da Besseres passieren, als so einen sicheren Job in der Rückhand zu haben?

 

Man konnte es sich so richtig schön ausmalen: Zuerst eine Familie gründen, Kinder bekommen, ein paar Jährchen zu Hause bleiben und dann wieder an den sicheren Arbeitsplatz zurückkehren.

 

Alles schien so perfekt.

 

Doch es war nicht perfekt. Es war noch nicht mal gut. Denn meine Seele weinte. Jeden Tag.

 

Ich hasste diesen Job. Je länger ich ihn machte, desto schlimmer wurde es. Anfangs hatte ich noch ein Projekt - eine Systemumstellung, die mich sehr gefordert hat und die mir auch Spaß machte. Doch dann war das irgendwann vorbei und ich sah jeden Tag nur noch Aktenberge, Rechnungen und Zahlen. Selten verirrte sich mal ein anderer Mensch in mein Büro und wenn, dann waren es meistens schlechtgelaunte Bürger, die eine Mahnung von mir bekommen hatten….

 

Sollte es das echt gewesen sein? Würde ich hier den Rest meines Lebens verbringen?

 

Mir wird jetzt noch schlecht und ich kriege einen Kloß im Hals, wenn ich daran denke….

 

Und das Schlimme war, mein damaliger Freund fand das alles so toll und so perfekt. Er wollte nicht, dass ich an der Situation irgendwas ändere und verstand gar nicht, warum ich mich nicht über diesen tollen Job freute. Und das, obwohl ich oft abends nach Hause kam und weinte….

 

Ich wusste, es musste sich etwas ändern. Doch ich hing immer noch an dieser scheinbaren Sicherheit. Also überlegte ich mir, was ich zusätzlich machen könnte. Etwas, was mir Spaß macht und das einen Ausgleich schafft, damit ich wieder glücklich werde.

 

Ich suchte mir einen Nebenjob und fand ihn zunächst in einer Buchhandlung. Auch das schien perfekt zu sein, weil ich mein Leben lang schon immer eine Leseratte war.  Aber Bücher lesen und Bücher verkaufen ist dann halt doch ein großer Unterschied. Außerdem war ich da ja wieder mit langweiligen Abrechnungen, Zahlen und Geld konfrontiert….

 

Also habe ich weitergesucht und überlegt, was mir Spaß machen könnte. Da fiel mir ein, dass ich als Jugendliche immer hatte Kosmetikerin werden wollen. Tatsächlich gab es in der Nähe auch eine Schule, in der ich die Ausbildung nach Feierabend machen konnte. Obwohl mein Freund es nicht toll fand,  drückte also nochmal ein Jahr lang abends und am Wochenende die Schulbank und investierte eine Stange Geld dafür, endlich glücklich zu werden. Zwar war die Ausbildung nicht so, wie ich es mir erhofft hatte, aber ich fand danach dennoch recht schnell eine Stelle in einem kleinen Hotel.

 

Wieder schien alles perfekt.

 

Der Job als Kosmetikerin und Wellnessmasseurin machte mir sehr viel Spaß, doch es änderte nichts daran, dass ich in der Behörde den Rest der Woche unglücklich war. Mich mit der Kosmetik komplett selbstständig machen wollte ich aber auch nicht.

 

Also fing ich an, Bewerbungen zu schreiben für allerlei Bürojobs. Ich wollte nur noch weg aus diesem Rathaus. Mein Freund unterstützte mich übrigens weiterhin überhaupt gar nicht, obwohl mich das ganze inzwischen krank gemacht hatte. Ich hatte Depressionen und es ging mir zunehmend schlechter. Dennoch habe ich dann ein ziemlich verlockendes Jobangebot ausgeschlagen. Ich war von über 100 Bewerbern ausgewählt worden, aber mein Herz sagte mir einfach, dass ich dort nicht glücklich werden würde (im Nachhinein wurde die Stelle übrigens noch unzählige Male ausgeschrieben, scheint also wirklich nicht so toll zu sein dort….).

 

Und dann kam der Tag, bzw. die Nacht, in der ich wusste, wo mein Weg mit hinführen wird. Ich träumte von einem Vorstellungsgespräch in einer anderen Behörde und ein paar Tage später hatte diese Behörde tatsächlich eine Stelle ausgeschrieben. Das erschien mir so magisch, dass ich wusste „DAS ist es!“. Ich bewarb mich und bekam die Stelle auf Anhieb. Zwar war es wieder ein Job im Rathaus, aber diesmal auf einer ganz anderen Position. Meine zukünftigen Tätigkeiten hatten mit Buchhaltung und langweiligen Aktenbergen überhaupt gar nichts mehr zu tun. Da war es mir auch egal, dass ich zunächst nur halbtags und befristet auf ein Jahr dort arbeiten würde.

 

Natürlich konnte das kein Mensch verstehen.

 

Es war ein Wagnis. Vom festen Vollzeitjob zur unsicheren Teilzeitstelle. Aber durch meinen Traum war ich vollkommen überzeugt, dass dies der richtige Weg sein würde.

 

Kurz nachdem ich den Job angenommen hatte, trennte ich mich von meinem Freund, obwohl mir klar war, dass es für mich damit finanziell erst mal eng werden würde. Ich brauchte eine eigene Wohnung und hatte aber nur einen Teilzeitjob…. Komischerweise hatte ich aber keine Angst. Mein Leitspruch war immer „in Deutschland verhungert man nicht so schnell…“. Und das stimmt ja auch.

 

Für mich waren diese Entscheidungen absolut richtig und ich habe nie bereut, diese Schritte gegangen zu sein und damit mein altes Leben hinter mir zu lassen.

 

Und inzwischen habe auch einen Festvertrag bei dieser Behörde.

 

 

Dass diese ganze Geschichte nur das Vor-Beben war für den Vulkanausbruch, der danach noch folgte,  darüber schreibe ich dann ein andermal…. :-)

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