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Verwöhnt und unerzogen? Gut so!

Unser Kind wird nicht erzogen, dafür aber von vorne bis hinten Verwöhnt!

 

Bäääm!

 

Merkst du, wie sich in dir der Wiederstand regt?

 

Hast du schon Sätze im Kopf, die mit „Ja, aber“ beginnen?

 

Denkst du „Das geht doch nicht“ oder „Man muss doch…“

 

Ja, das kann ich gut nachvollziehen.

 

Vor einigen Jahren habe ich mal folgenden Text geschrieben:

„Irgendwann möchte ich auch gerne Kinder haben. Und zwar richtig erzogene mit Manieren und Werten. Für diese Rotzlöffel die man heutzutage auf der Straße sieht, würd ich mich schämen, wenn es meine wären. Ich hab da sehr genaue Vorstellungen von Erziehung, obwohl ich im Grunde genommen natürlich keine Ahnung habe.“

 

Tadaaa! Ich hatte wirklich keine Ahnung. Überhaupt GAR KEINE!

 

Deswegen beiße ich mir auch immer auf die Zunge, wenn mal wieder jemand (ungefragt und meistens kinderlos) Erziehungsratschläge zum Besten gibt.

 

Doch heute nicht. Heute beiße ich mir nicht auf die Zunge. Heute möchte ich mal erzählen, warum wir unseren Sohn nicht erziehen und was eigentlich dahinter steckt, dass er z.B. Fernsehen darf, so viel er möchte.

 

Schon als ich ein Kind war, wusste ich, dass ich nie eine „normale“ Mama sein würde. Eigentlich hatte ich sogar vor, gar keine Kinder zu bekommen. Meine Schwester war das genaue Gegenteil. Sie hatte zwei Babypuppen, die sie hegte, pflegte und bemutterte. Sie fuhr sie im Kinderwagen durch die Gegend und war eine richtige „Puppenmama“.

 

Für mich war das nichts.

 

Und als ich 20 Jahre später dann doch ein Baby erwartete, wusste ich, dass es auch heute nichts für mich sein würde.

 

Also: Kinder haben schon. Aber diese im Wägelchen vor mir herschieben – NÖ!

 

Ich verkündete daraufhin meiner Familie (die mir schon fast nen Kinderwagen gekauft hätte), dass ich mein Baby tragen werde, so wie es zum Beispiel auch die Mütter in Afrika machen.

 

Das war eine gute Entscheidung und es war der Anfang meines Lebens als „alternative Mutter“. Man sagte mir ja schon immer nach, ich würde alles anders machen, als „gewöhnliche Leute“….

 

Jedenfalls, ab diesem Zeitpunkt befasste ich mich sehr intensiv mit allem, was ich rund um die Themen Schwangerschaft/Geburt und Babys finden konnte. Bald schon war ich Mitglied in einem großen Forum – den Rabeneltern. Dort fühlte ich mich aufgehoben, denn es ging darum, mit „Ammenmärchen“ aufzuräumen und sich auf die natürlichen Wege und die Intuition zu konzentrieren.

 

Ich verzichtete größtenteils auf ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und wendete mich lieber den Hebammen zu. Und als unser kleiner Schatz dann da war, war es für mich selbstverständlich, ihn nicht nur den ganzen Tag am Körper zu tragen, sondern ihn auch bei uns im Bett schlafen zu lassen.

 

Ein Baby kann man gar nicht (genug) verwöhnen!

 

Und die Idee, dass diese kleinen Wesen so früh wie möglich selbständig schlafen sollen, ist eine neumodische Erscheinung die nur einmal mehr zeigt, wie abgebrüht unsere Gesellschaft geworden ist. Da gibt es „Schlafprogramme“, bei denen sich mir sämtliche Nackenhaare aufstellen…. Sogar beim Kinderarzt (den ich danach nie mehr besucht habe) las ich einmal in einem Buch, man solle die Babys schreien lassen, auch wenn es einem fast das Herz bricht. Nur so würden sie „lernen“ alleine (ein)zu schlafen. GRAUSAM ist das in meinen Augen! Da wird Müttern von selbsternannten Experten ernsthaft geraten, ihren natürlichsten Instinkt – nämlich das Baby zu beschützen – einfach zu ignorieren.

 

Und was passiert mit den Babys, die so alleine gelassen werden? „Funktionieren“ tut diese Methode ja tatsächlich... Allerdings ist es wohl eher so, dass das Kind irgendwann resigniert. Es lernt nicht alleine zu schlafen, sondern es lernt, dass eh niemand kommt bzw. dass seine Bedürfnisse nicht wichtig sind.

 

Wollen wir das wirklich für unsere Kinder? Wollen wir eine Gesellschaft, in der schon den allerkleinsten beigebracht wird, dass man nicht „aufmucken“ soll und dass die eigenen Bedürfnisse unwichtig sind?

 

Ich finde diese Vorstellung sehr traurig.

 

Darum habe ich für mich, haben wir für uns, einen anderen Weg gewählt. Und als die Babyzeit vorbei war und wir ein quicklebendiges Kleinkind hatten, haben wir nicht aufgehört, die Dinge zu hinterfragen und alte Strukturen zu durchbrechen.

 

Wir haben nicht aufgehört, unseren Sohn zu verwöhnen. Und wir haben nicht angefangen, ihn zu erziehen.

 

Erziehung bedeutet für mich nichts anderes, als das Kind in eine Richtung zu ziehen, die MIR gefällt. Das heißt im Umkehrschluss: das Kind ist so wie es ist, nicht gut (genug).

 

Bääääm.

 

Merkst du den Widerspruch in dir?

 

Wieder kommen Sätze auf, die mit „Ja, aber…“ beginnen.

 

Doch ich bleibe dabei. Mein Kind ist für mich niemand, den ich in (m)eine Richtung ziehen muss, oder dem ich von oben herab sagen muss, wie „man“ sich zu verhalten hat.  Mein Kind ist eine eigenständige Persönlichkeit und ich behandle es mit genau dem Respekt, den ich mir selbst auch von anderen wünsche.

 

Und ganz abgesehen davon gehe ich fest davon aus, dass ich durch Vorleben sowieso viel mehr erreiche. Natürlich möchte ich kein „Tyrannenkind“ haben. Natürlich möchte ich, dass mein Kind Rücksicht nimmt auf andere und sich nicht nahtlos einfügt in unsere Ellbogengesellschaft.

 

Aber was haben wir denn davon, wenn wir unseren Kindern beibringen, „danke“, „bitte“ und „Entschuldigung“ zu sagen, wenn diese es von sich aus gar nicht fühlen?

 

Empathie kann man nicht lernen! Und schon gar nicht, wenn man dazu gezwungen wird.

 

„Entschuldige dich“  wie oft habe ich das schon von Müttern oder Vätern gehört….

 

Ernsthaft? Würdest du eine solch erzwungene Entschuldigung annehmen?

 

Wer glaubt denn, dass ein Kind auf diese Weise irgendetwas lernt?

 

Wäre es nicht besser, dem Kind auf Augenhöhe zu erklären, dass es gerade einem anderen wehgetan hat, dass ein anderes Kind traurig ist und vielleicht weint? Stattdessen befehlen wir einfach von oben herab: „Entschuldige dich“. Als ob man damit alles ungeschehen machen könnte….

 

Das Gleiche gilt natürlich auch für „Danke“ und „Bitte“. Ich kann auf solche daher gesagten Phrasen gut und gerne verzichten, wenn sie eh nicht so gemeint sind….

Und ganz nebenbei: unser Sohn sagt sehr oft danke und bitte – ganz einfach weil er nachahmt, was wir ihm vorleben.

 

So. Und zum Schluss noch das Thema Fernsehen.

 

Hier gibt es viele verschiedene Meinungen und Ansichten und ich weiß, dass es Studien gibt, die besagen, das Gehirn unserer Kinder verändert sich (negativ?) durch zu viel Bildschirmkonsum.

Dem halte ich folgendes entgegen:

 

Mein Kind sitzt so gut wie NIE apathisch vor dem Bildschirm. Er hüpft und springt, ahmt nach, singt mit und freut sich seines Lebens. Ganz oft wendet er sich auch ab und vertieft sich in sein eigenes Spiel. Dadurch, dass der Fernseher immer zugänglich ist, ist er nichts, was für ihn sonderlich interessant wäre.

 

Achja, und er hat sogar ein eigenes Tablet.

 

Die Bildschirme sind für ihn nur ein Spielzeug wie jedes andere. Und wenn er die Wahl hat, dann geht er viel lieber nach draußen auf den Spielplatz oder durch Pfützen springen.

Und genau das ist es, was ich bei Kindern, deren Bildschirmzeit reguliert wird, beobachte: Wenn sie die Wahl haben, entscheiden sie sich für TV und Tablet - ganz einfach, weil es was Besonderes für sie ist.

 

Aber das soll hier nicht das Hauptthema sein.

 

Wichtig ist mir persönlich einfach, dass wir mit unseren Kindern in Beziehung gehen und dass wir uns nicht über sie stellen. Ich setze mich ein für eine Welt, in der die Menschen frei sein und ohne Grenzen und Zwänge groß werden können. Und ich bin mir sicher, dass sich Empathie und „gutes Benehmen“ von ganz alleine entwickeln, wenn wir nur gute Vorbilder für unsere Kinder sind.

 

Denn eines ist sicher: WIR können von Kindern mindestens genauso viel lernen, wie sie von uns. Wahrscheinlich sogar noch viel mehr!

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